Freitag, 19. Oktober 2012

Samhain - Samhuinn - Das Fest der Ahnen, der Geister, aller Verstorbenen

Diese Zeremonie ist die feierlichste und am meisten nach innen gerichtete der acht Hohen Feste. Es ist eine Zeit des Wechsels, des Übergangs und auch der Wahrsagerei. Man sagt, dass diese Tage und ihre energetischen Qualitäten den Seher leichter führen.

In diesen Tagen ist die normale Realität „gestört“ und die Schleier der Zeit sind aufgehoben, die Schleier, die unsere Welt vom Jenseits trennen sind sehr dünn und durchlässig. Aus diesem Grund ist es ein wichtiger Teil der Zeremonie, die Geister der Anderswelt einzuladen an den Feierlichkeiten teilzunehmen. Es ist eine gute Zeit um mit Verwandten, Freunden, Lehrern, die bereits verstorben sind, Kontakt aufzunehmen. Dies ist auch der Hauptaspekt von Samhain, gemeinsam mit einem Lebewohl-sagen und Loslassen des Alten, das uns nicht mehr dient. Wer keine Zeremonie plant, kann diese(n) Tag(e) dazu nutzen, das Haus oder die Wohnung zu durchstreifen und alles rauszuwerfen, was nicht schön oder nützlich ist. Ebenso können wir uns nach dem Besinnen auf unsere Ernte bei den vorherigen beiden Festen jetzt darauf besinnen, was wir so NICHT mehr möchten, welche Ängste und Sorgen wir loslassen wollen und welche Aspekte unseres Lebens sich inzwischen überholt haben.



Sei dir bewusst, dass du mit dieser Zeremonie die Verbindung zu deinen Ahnen, den Verbündeten der Nicht Alltäglichen Wirklichkeit, den Spirits der Anderswelt stärken kannst und lade in Liebe und Freundschaft all jene ein, die deine Suche nach der Wahrheit teilen. Gedenke der Verstorbenen, die dir lieb und teuer sind.

Möge der Segen des Großen Geheimnisses immer mit euch sein!

Mögen eure Herzen, Augen und Ohren für die weise Begleitung eurer Ahnen offen sein!

Möge euch ein zauberhafter Abend bevorstehen.

Von Herzen, Jennie.



Das Ritual

Wenn es dunkel geworden ist, ziehe einen energetischen Kreis um dich (und deine Mitfeiernden) und deinen Altar.
Schreite 3 mal um deinen Platz und stelle dir, während du den Kreis abgehst, vor, wie das Licht durch deine Fußsohlen und die Handflächen in den Kreis hineingelenkt wird, bei jedem einzelnen Schritt. So schaffst du einen heiligen lichten Ort für dich.
Erstelle im NORDWESTEN ein Tor. (z.B. eine Öffnung im Kreis, sei auch hier wieder frei deinen eigenen Weg zu finden)
Verneige dich in jede Himmelsrichtung (sage gern etwas dazu, wenn dir danach ist).
Knie nieder und berühre mit der Stirn die Erde. Begrüße auch den Himmel über dir.
Lass dich ganz von dieser Kraft erfüllen.
Wende dich dem Feuer (Kerze) zu und begrüße die Kräfte des Rituals und den Geist des Ortes, an dem du dich befindest. An dieser Stelle kannst du Gott, die Göttin, Geistwesen, Engel, die Kräfte des Lichtes oder was immer dein Weltbild beinhaltet, anrufen. Heiße willkommen, was sich für dich authentisch anfühlt.
Wenn du magst, kannst du auch die große Inspiration einladen und dazu das "AWEN" singen.
Sitze mit deinem Gesicht zur Mitte hin und mit dem Tor zum Nordwesten in deinem Rücken. Meditiere nun über das, was du mit deinen Ahnen verbindest. Vielleicht helfen dir dazu diese Fragen:
Woher kommst du? Was ist deine Geschichte, deine Abstammung, vielleicht gar die Geschichte deiner Familie? Was ist deine Vergangenheit?
Versuche die Linie hinter dir zu fühlen. All jene Menschen, die auch alle zu einem Teil in dir stecken. Sie alle sind dein Erbe. Beachte dabei bitte auch, dass es sich nicht nur um genetische Ahnen handeln muss, sondern auch um jene, von denen du geistige Geschenke, Wissen und Fertigkeiten bekommen hast. Wenn du bereit bist, erhebe dich und wende dein Gesicht dem Tor zu.


 Begrüße die Ahnen in deinen Worten! (zum Beispiel: „Oh Ahnen, bekannte und unbekannte! Ahnen meines Körpers und auch meines Geistes. Ihr alle habt meinem Leben Form gegeben und mich zu dem gemacht, was und wer ich heute bin – körperlich, geistig, seelisch. Mütter, Väter, Großmütter und Großväter, Lehrer, Heiler, Ernährer, Wegweiser der Wege, die ich gehen soll und auch jener, die ich nicht gehen soll. In mir ist das Feuer, die Luft, die Erde und das Wasser von euch allen und euer Geist erfüllt mich. In dieser Nacht von Samhain spüre ich euch nah bei mir. Zu dieser zeitlosen Zeit rufe ich euch...“

Trommle oder rassle zur Begrüßung und visualisiere, wie sich das Tor vor dir öffnet.

Bereite in der Mitte nahe des Feuers deine Opfergaben vor. Etwas Brot für das Geschenk deines Körpers, etwas Wein für das Geschenk deines Herzens, etwas Salz für das Geschenk deines Geistes und etwas Honig für das Geschenk deines Willens.

Bringe diese Gaben dar und halte inne. Sei offen für eine Antwort auf deinen Ruf. Vielleicht spürst du den Kontakt zu einem deiner Vorfahren, vielleicht spürst du eine tiefe Verbundenheit, die du nicht mit Worten erklären könntest, vielleicht möchtest du einfach frei schauen, was du empfängst.
Wenn dieser Austausch abgeschlossen ist, bitte darum durch das Tor treten zu dürfen. Wende dein Gesicht wieder dem Nordwesten zu. Wenn die Antwort positiv ausfällt, trete durch das Tor und bringe dort alle deine Sorgen, Bedauern, tiefsten Wunden und Ängste vor. Schütte das schwarze Wasser deiner Seele aus, direkt hinein in die offenen Hände der Großen Göttin des Dunklen (Cerridwen, Cailleach, Hel, Holle, Hekate, Frau Percht/Frau Gode). Sie wird alles akzeptieren, was du bist und aufnehmen, was du loslassen möchtest. Vielleicht spürst du ihre Hände auf dir und ihre Empfangsbereitschaft um dich. Wenn du bereits bist, danke ihr und kehre in die Mitte zurück.

Segne nun für dich Brot und mit diesem deine Taten, Wein und mit diesem deine Gefühle, Salz und mit diesem deine Gedanken, Honig und mit diesem deine Wünsche. Innerhalb einer Gruppe kann einer dies für alle übernehmen und jeder kostet reihum ein Stück/einen Schluck.

Wenn du bereit bist, schließe das Tor wieder. (zum Beispiel: „Meine Ahnen, meine Freunde, meine Lieben, Begleiter der Nacht, ich danke euch für euren Besuch an meinem Feuer, in meinem Kreis, in meinem Leben. Ich danke euch für die Gaben, die ihr mir geschenkt habt, meinen Körper, meinen Geist, meinen Willen und mein Herz. Durch eure Gegenwart, wird mein Geist gesegnet. Bitte führt mich in diesem Leben und durch die Verantwortungen und Wegkreuzungen meiner Situation. Bitte kommt wieder, wenn ich euch rufe.“)
Nimm wahr, wie sich das Tor schließt und nimm für dich Abschied für jetzt. Danke den 4 Himmelsrichtungen, Mutter Erde und Vater Himmel für ihren Segen. Hebe nun den Kreis entgegen des Sonnenlaufes wieder auf.
Zum Abschluss der Zeremonie kannst du die Kerze löschen oder einen Schlussspruch sprechen. (zum Beispiel: „So wie der Glanz der Zeremonie verblasst, möge er in meinem Herzen als Licht verbleiben. Möge meine Erinnerung behalten, was Auge und Ohr gewannen. Diese Zeremonie ist nun für uns in der unsichtbaren Welt beendet und wird in der sichtbaren Welt mit einem gemeinsamen Mahl weitergehen.“)






*** Weitere Anregungen und Inspirationen zum Umgang mit den Ahnen finden sich in unserem Buch-CD-Set "Ahnenreise" (Jennie Appel & Dirk Grosser, Sept. 2012, Arun Verlag) ***

Freitag, 5. Oktober 2012

Erkenntnisse zum Thema Hochsensibilität

Gerade erreichte mich ein Newsletter mit Erkenntnissen des Kompetenzzentrums für Hochsensibilität Aurum Cordis bei Hamburg, die ich nur zu gerne an dieser Stelle teilen möchte. Es lohnt sich, einmal auf der website nach den angebotenen Seminaren und Vorträgen zu schauen oder sich in den Newsletter einzutragen:
www.aurum-cordis.de
Auch Susan Marletta-Hart (Autorin von "Leben mit Hochsensibilität" und "Achtsam leben mit Hochsensibilität") hatte in der Vergangenheit dort Wochenendseminare gegeben.

"In all den Kontakten, die wir seit 4 Jahren mit hochsensiblen Menschen jeweden Alters hatten, zeigen sich immer deutlichere Muster. Vor allem 4 Schwerpunkte haben wir erkannt, die für alle mit unterschiedlicher Gewichtung Bedeutung zu haben scheinen:
1. Unterscheidungsmöglichkeiten zwischen Traumatisierungen und Hochsensibilität
2. Der Wunsch nach einem anderen Umgang mit Gesundheit und dem eigenen Körper als in unserem „Krankheitssystem“ vorgegeben wird
3. Der Wunsch, die eigene Wahrnehmung als Instrument einsetzen zu können und einen alltagstauglichen Umgang mit ihr zu finden
4. Stille in sich selbst zu finden und die eigene, natürliche Spiritualität als etwas normales und anerkanntes zu erfahren – und eine Art Raster oder Landkarte zu finden, in das man die eigenen Erfahrungen einsortieren und damit besser verstehen kann
In Familien finden wir ganz häufig Kinder mit einer sehr weiten Wahrnehmung, die an andere „Informationsquellen“ angeschlossen zu sein scheinen, als viele Erwachsene es sind.
Spätenstens in der Schule wird es dann häufig schwierig, da diese „weiten Kinder“ innerhalb eines viel zu engen Systems funktionieren sollten… häufig innerhalb von Aufgaben und Themenfeldern, deren Sinn sich den Kindern nicht erschließt. Damit finden wir nicht nur bei der Erwachsenen Hochsensiblen sondern auch schon bei den hochsensiblen Kindern die Frage nach dem Sinn und die Verzweiflung, wenn dieser „flöten gegangen ist“.
Für all diese Schwerpunkte gibt es keine pauschale, allgemeingültige Antwort. Es gibt auch keine Pille, die die feine Wahrnehmung „wegmacht“. Aber jeder kann einen ganz individuellen und eigenen Weg finden, mit ihr umzugehen und seinen Körper als Wahrnehmungsinstrument mit ganz eigenen Signalen kennen lernen.
Dennoch gibt es ein paar allgemeine Grundregeln, die sich immer wieder zu bewahrheiten scheinen.
1. Eine innere Sicherheit, dass man nicht verrückt ist, nicht alleine in seiner Andersartigkeit, und dass es andere gibt, die einen verstehen, ist häufig der erste Schritt zur Selbstakzeptanz, die bei hochsensiblen Menschen häufig fehlt.
2. durch die feine und intensive Wahrnehmung werden um das vielfach vermehrt Vitalstoffe im Körper zur Verarbeitung der ganzen Informationen verbraucht. Deswegen ist eine ausgewogene Ernährung und regelmäßige Pausen unerlässlich, um das eigene System nicht zusätzlich zu belasten.
3. Hochsensible Menschen brauchen nicht nur „Futter für den Kopf“, sondern auch „Blumen für die Seele“. Selbstverurteilung und Leistungsdruck räumen allzu oft dem Verstand die Dominanz über die Seele ein. „Blumen für die Seele“ sind kleine Freuden des Alltags, denen Hochsensible Menschen besondere Aufmerksamkeit schenken sollten. Sie nähren die Ebene, die wesentlich für die Lebensqualität von HSPs ist und dem Verstand gestärkt an die Seite gestellt werden sollte.
4. Hochsensibilität gibt es nicht nur bei Menschen. Laut Elaine Aron tauchen die 15-20% Sensitiven in jeder Gattung auf. Damit bekommt das Phänomen eine andere Dimension – eine andere Bedeutung. So, wie es sich uns darstellt, haben Hochsensible eine Indikatorfunktion. Was sie krank macht, macht über kurz oder lang alle krank. Was ihnen dient, tut allen Menschen gut. Hochsensible sind die ersten, die merken, dass etwas nicht stimmt. Findet ihre Stimme Gehör, kann die Gesellschaft verändert werden.
Herzliche Grüße
das Aurum Cordis - Team"
 
Susan Marletta-Hart
Achtsam Leben mit Hochsensibilität
Sprecherin: Jennie Appel
Buch-CD-Set
AURUM Verlag

Donnerstag, 4. Oktober 2012

Vom Glück nicht allein zu sein

Manche Menschen gaben mir die Rückmeldung, dass der Titel dieses Buches sie abschrecke. Ich fragte, ob es am Untertitel liege? "Nein, nein, ICH soll ein Anfang sein?!?"
Na klar! Wer denn sonst?! Wenn man selbst mit dem vorhandenen Angebot unzufrieden ist, kann man den 1. Schritt machen und etwas Neues erschaffen - allein schon, um glücklich zu sein. Ich verstehe sehr gut, dass es sich erst einmal nur nach mehr Arbeit und einer anstrengenden
Zeit voller zusätzlicher Aufgaben anhört, doch wir sollten nicht unterschätzen, wieviel wir dafür zurückbekommen. Nehmen wir an, dass wir christlich aufgewachsen sind, jedoch nicht hinter der Kirche als Institution stehen können; zudem interessieren wir uns für druidische Themen, fühlen uns allerdings nicht als Heiden oder "Neu-Heiden", auch nicht als selbsternannte Druidenpriester oder Wicca; allein dies zeigt: wir können nicht in die Kirche gehen und auch nicht zu einem Heidentreffen, weil wir uns zu keiner der beiden Gruppierungen zugehörig fühlen. Wenn wir eine Spiritualität leben (wollen), die zu keiner der uns umgebenden Gruppen passt, wir uns jedoch gerne austauschen und Gleichgesinnte finden möchten, uns also nicht verleugnen wollen - was bleibt uns?! Wir können aus uns selbst heraus etwas Neues gründen und das betrifft nicht nur spirituelle Themen, sondern so viel mehr auf dieser Welt! Im Herbst letzten Jahres habe ich selbst mich nach einer Reise an die Kraftorte Irlands, umgeben von spirituellen, gleichzeitig bodenständigen, offenen und warmherzigen Menschen gesehnt und nach dem irischen Priester Seán ÓLaoire. Diese gab es jedoch nur in meiner Vorstellung, nicht in einem Katalog als Anzeige. Der Wunsch, etwas zu erleben, das mir zutiefst entspricht und mich glücklich machen würde, war die zündende Kraft SELBST den Anfang zu machen. Ich fragte Seán, ob er meine Idee unterstützen würde und er sagte begeistert zu. Ich fragte die Teilnehmerinnen meiner Jahresgruppe, die begeistert waren und ich fragte Menschen, von deren "irischer Sehnsucht" ich wusste. Es war unglaublich, wieviele Menschen sich nach einer spirituellen Irland-Reise mit fundiertem Hintergrundwissen sehnten. Also begann ich alles zu planen, ein Haus für eine große Gruppe zu suchen (was gar nicht so einfach war), Preise zu vergleichen, sinnvolle Routen zu entwickeln, um alle heiligen Orte der Umgebung anfahren zu können und dennoch nicht einfach nur touristisch abzuhaken, sondern auch viel Zeit zum meditieren zu haben, morgendliche Meditationen, eine Seminarausschreibung mit Programm für 8 Tage zu erstellen und und und... Erst nach einigen Monaten hatte ich das perfekte Haus gefunden und der Reise stand nichts mehr im Wege. Es war so viel mehr zu planen, als ich zuvor gedachte hatte und es war ein spannender Prozess insgesamt - belohnt wurde ich mit einer Gruppe, in der wirklich jeder zupackte, mitkochte oder Küchenarbeiten verrichtete, bei der Endreinigung mithalf (und zwar so sehr, dass die Vermieter des Ferienhauses mir eine email sendeten und sich bedankten, weil deren Haus noch niemals so sauber hinterlassen worden war), mit dem Gefühl einer Zugehörigkeit zu Menschen und der damit verbundenen Sicherheit NICHT ALLEIN ZU SEIN, tiefgründigen Gesprächen über vielfältige Themen, gemeinsamen Ritualen an Orten der Kraft und ursprünglichen Schönheit einer Insel, die so viel mehr als einfach grün ist, einem zweitägigen Seminar mit einem großartigen Lehrer, der nicht mehr nach Deutschland kommen wird... ach, es wäre unmöglich wirklich alles aufzuzählen, womit ich beschenkt wurde. Ich habe allein einen Anfang gemacht und bin damit nicht allein geblieben. Wir alle sind beschenkt zurückgekehrt.
Und nun frage ich: kann es denn etwas Schöneres geben, als selbst der Anfang von etwas zu sein, das dann authentisch, vollständig und ganz und gar zu mir passt?!
Ich finde nicht! Wir können nicht ermessen, was wir zurückerhalten werden und es ist allemal besser, eine große Anstrengung zu unternehmen, um etwas Authentisches und Beglückendes auf die Beine zu stellen - als uns ständig und immerwährend anstrengen zu müssen, zu etwas dazuzupassen, das wir nicht sind. Jeder Mensch verdient es, sich von gleichgesinnten Menschen getragen und begleitet zu fühlen und niemand sollte sich diese Chance selbst verwehren.

Deswegen teile ich heute an dieser Stelle einen Artikel von Dirk Grosser zu seinem Buch und ermutige JEDE/N, der Anfang von einer glücklichen, authentischen und beseelten Welt zu sein! Es lohnt sich...


Der Wunder gewahr werden

Unsere Welt ist erfüllt von Wundern: das azurblaue Aufblitzen eines Eisvogels, der dampfende Atem eines Hirsches im ersten Morgenlicht oder das Lachen eines spielenden Kindes, völlig selbstvergessen und versunken in dem, was sich gerade der Wahrnehmung offenbart. Phänomene und Geschehnisse – alles in sich vollkommen und von einer inneren Heiligkeit getragen. Eine Heiligkeit, an der wir Anteil haben können, wenn wir unserer Erfahrung vertrauen. Nichts, was ist, wächst, wird und vergeht, benötigt vorgestellte Götter, die seinem Dasein etwas hinzufügen. Wir können den Eisvogel als Eisvogel und den Hirsch als Hirsch wertschätzen - und nicht etwa, weil wir davon ausgehen müssen, dass irgendein Gott sie aus dem Nichts geschaffen hätte... Wir können die Dinge sehen, wie sie sind, jede Pflanze, jedes Tier, jeden Menschen in ihrem und seinem So-Sein wahrnehmen. Der innere Wert eines Lebewesens hängt nicht von seiner angeblich göttlichen Herkunft ab, sondern von seinem Sein in der Welt, seiner Einzigartigkeit, seiner Fülle, der er durch sein Leben Ausdruck verleiht.
Dies zu erfahren, die Welt wirklich zu sehen und auch in sich selbst dieses Sein wahrzunehmen, ist eine freie Form der Spiritualität, die ganz im Gegensatz zu einer dogmatisch geprägten Sicht, wie sie Religionen vertreten, steht.

Religion: totes Konstrukt

Während Spiritualität uns ein Leben aus der Tiefe ermöglicht, welche das Leben in all seinen Facetten und Aspekten achtet, ist die Religion oft ein totes Konstrukt, welches das Leben in vorgefertigte Begrifflichkeiten einordnen und somit unter Kontrolle halten möchte. Spiritualität ist das eigene, individuelle Herantasten an das Heilige. Religion ist die Schublade, für die alles, was nicht passt, passend gemacht werden soll.
Jörg Starkmuth schrieb den schönen Satz: "Hätte ich keine Namen für das, was ist, wäre ich umgeben von Wundern." Das ist die Offenheit eines spirituellen Geistes, der keine Regeln braucht, wie Erfahrung sein soll und darf. Mit einem solchen Geist brauchen wir auch keine selbsternannten Hüter der „reinen Lehre“, die diese vermeintlichen Regeln eifersüchtig bewachen.

So wird ein Verhältnis zur Welt möglich, was nicht von Herrschaftsgedanken, sondern von echter Teilhabe durchdrungen ist. Es gibt dann kein Dogma und auch niemanden, der ein solches aufstellen könnte. Unser spiritueller Weg ist ein lebenslanges Forschen, ein Staunen über die Vielfalt, die sich im Kosmos offenbart und welche auch in uns wirkt.

Staunen und Stille

Das Staunen lässt unsere Begriffe, unsere Namen für die Phänomene leiser werden und schließlich verschwinden. Die nachfolgende Stille ermöglicht uns ein noch tieferes Schauen, in welchem wir uns selbst als Teil einer Entfaltung des Lebens erfahren. Wir entdecken, dass wir an grundlegenden Qualitäten des Seins teilhaben, dass in uns selbst und in allem, was lebt, der offene Raum des Bewusstseins erkannt werden kann.
Das, was uns alle grundlegend miteinander verbindet – jenseits jeder Theorie, Religion, Philosophie oder Kultur -, ist die schlichte Tatsache, dass wir hier sind. Hier an diesem Ort im Universum. Wir sind gemeinsam auf diesem Planeten, gemeinsam in dieser Welt, diesem Kosmos. Gemeinsam mit allen anderen Wesen auf diesem Planeten rasen wir mit 107.000 km/h um die Sonne. Wir stammen von demselben Ort, unser Ursprung ist dieselbe Singularität, mit der unser Universum begann, unsere Entwicklung ist den gleichen Gesetzen der Evolution unterworfen.

Wir können in der mystischen Schau, im Moment der Stille, erfahren, dass die Natur unser aller Mutter ist – dass es eine unsichtbare Nabelschnur gibt, die uns alle mit dem Urgrund und deshalb auch miteinander verbindet.

In uns ist der Ursprung enthalten, tief eingewebt in unsere Zellen, in unsere Gedanken und unsere Träume. Das Leben, das das Universum durchwirkt, durchwirkt auch uns. Es gibt Momente, in denen dies ganz klar gesehen werden kann. Momente, die uns hineinziehen in die Wirklichkeit, wie sie sich in eben diesem Augenblick vor uns ausbreitet und in denen das wirklich Heilige des Lebens für uns sichtbar wird. Ein Sonnenaufgang nach einer langen Nacht, der erste Atemzug an einem neuen Tag, ein Tier, welches uns plötzlich im Wald gegenüber steht und ebenso überrascht ist wie wir, ein Lachen, das unsere Traurigkeit durchbricht. Der Moment des Staunens, der die Bewertungen unseres Ego auflöst und uns einfach da sein lässt. Ganz, heil, heilig.

Das religiöse Schema und die Illusion der Trennung

Religionen sind an diesen eigenen Erfahrungen verständlicherweise weniger interessiert. Was ohne priesterliche Vermittlung geschieht, kann einer auf Machterhaltung ausgerichteten Institution nur zuwiderlaufen. Überall funktioniert Religion nach dem gleichen Schema: Es wird den Menschen eingeredet, es bestehe eine Trennung zwischen ihnen und dem Göttlichen und gleichzeitig wird sogenannte „Hilfe“ angeboten, diese Trennung zu überwinden. Selbstverständlich nicht ohne ein gewisses Entgelt zu verlangen, welches meist im Abgeben der eigenen Verantwortlichkeit und Macht besteht.
Doch diese Trennung ist eine hausgemachte Illusion. Niemals haben wir unsere Zugehörigkeit verloren. Das, was ist, die Welt der Phänomene, die uns umgibt, lädt uns ein, in ihr all das zu entdecken, wonach wir uns immer schon sehnten. Die Phänomene, die einfach vorhanden sind und ohne unsere Benennung und Einordnung in einen religiösen Kontext auskommen.

So können wir uns selbst im Tanz mit dem Universum entdecken und feststellen, dass Bezeichnungen unserer selbst, wie unsere Nationalität, unser Geschlecht, unser Glauben, unsere politische Orientierung, unsere sexuelle Ausrichtung etc. an Wichtigkeit verlieren. All das ist noch da, alle kleinen Identitäten sind nach wie vor vorhanden, doch unsere wahre Identität öffnet sich in der Weite des Alls und erfährt den Geschmack der Einheit. Unser innerster Kern erwacht und in der Zugehörigkeit zu diesem grenzenlosen Kosmos entdecken wir, dass unsere eigenen Grenzen verschwinden. Die mystische Erfahrung öffnet unseren Geist und zerbricht nach und nach die Grenzen unseres Denkens, befreit unser Herz und lässt uns in reinem Gewahrsein dessen, was ist, ruhen. Plötzlich sind wir von Wundern umgeben!

Diese Erfahrung gehört, obwohl sie universell ist und alles mit allem verbindet, ganz uns. Es ist unser Erleben der Einheit, die in diesem Moment in uns stattfindet. Wenn wir versuchen, diese Erfahrung mitzuteilen, dann können wir das nur mit unseren ganz eigenen Worten. Niemand außer uns kann unsere universelle und doch einzigartige Erfahrung ausdrücken. Keine Religion, keine Philosophie, keine Sekte, keine Ideologie ist uns so nah wie wir selbst und unser Erleben, welches uns im tiefsten Inneren berührt.

Pur, nackt, offen…

Im Mosaik des Lebens ist unsere Erfahrung des Urgrunds ein wichtiger Stein, ohne den das Bild nicht vollständig ist. Wir brauchen nicht fünf Weltreligionen, sondern sieben Milliarden einzigartige Zugänge, um uns dem gesamten Bild des Kosmos anzunähern. Wir brauchen die Freiheit jedes einzelnen Geistes, um die Freiheit zu erkennen, die allem im Kosmos zugrunde liegt.
Die Welt der Phänomene, die Welt der Natur führt uns auf diesem Weg in die Freiheit. Wir müssen keinem Ismus angehören und müssen uns auch keinem zuordnen lassen. Weder dem Buddhismus noch dem Paganismus und auch nicht dem Atheismus. Vielmehr können wir einfach Leben sein, Erfahrung in einer momentan menschlichen Form, pur, nackt, offen, in Verbindung mit der Welt um uns herum. Sehen, wahrnehmen, staunen, der Natur in all ihren Facetten begegnen. Wir können uns bemühen, so viel wie möglich zu erfahren und so wenig wie möglich zu deuten! Je mehr wir deuten und je genauer wir den Inhalt unseres Glaubens definieren (wie Religionen es immer tun), desto enger wird unser Weltbild. Je mehr Menschen vorgeben, von „ihrem Gott“ zu wissen und „seinen Willen“ zu kennen, desto mehr schränken sie ihren Geist ein. Die eigene Fantasie wird dann oftmals als Wort Gottes dargestellt, weil es uns weiterer Erklärungen zu entheben scheint.

Mut zum Nicht-Wissen

Spiritualität ist jedoch auch der Mut zum Nicht-Wissen, welches sich im offenen Staunen erleben lässt und welches den Verführungskünsten von Intoleranz und Dogmatismus mit Leichtigkeit widersteht.
Das Heilige dieses Kosmos ist offen und frei sich zu entwickeln. Dieses Heilige, verstanden als allem innewohnende und alles durchdringende Kraft und nicht als eine als göttlicher Allvater wirkende Entität, ist weit und bietet Platz für unsere eigene Entfaltung, unsere Fragen und unser Leben mit diesen Fragen.

Der „alte Mann auf der Wolke“ und seine Religionen sind eng und stehen jeder freien Entwicklung aufgrund ihrer eigenen Angst vor Kontroll- und Machtverlust skeptisch gegenüber. Dieses System bietet die immer gleichen Antworten, welche nicht zu hinterfragen sind. Stille wird mit Dogma gefüllt, der offene Geist auf die das Dogma erhaltenden Gebote geeicht und begrenzt. Die Weite des Raums wird zu einer wiederholbaren Meinung geschrumpft.

Alan Watts, ein wahrer Freidenker, fasst es so zusammen: „An Gott zu glauben und nach dem Gott, an den du glaubst, auszuschauen heißt, lediglich Bestätigung einer Meinung zu suchen.“

Der menschliche Geist ist aber grenzenlos. Die Stille, die uns in meditativen Momenten erfüllen kann, muss nicht mit dem Lärm vorgefertigter Antworten erstickt werden. Wir selbst haben die Wahl und müssen genau und ehrlich untersuchen, ob wir den Mut haben, ohne letzte Antworten leben zu können. Die Frage ist: Möchten wir die Marionetten einer fremden oder die Helden unserer eigenen Geschichte sein? Nur jenseits aller ausgetretenen Pfade riecht die Erde frisch. Das gilt für unser ganzes Leben und insbesondere für unsere Spiritualität.

Abb: © Stefan Korber - Fotolia.com
 Dieser Artikel erschien im Magazin "Sein"
Dirk Grosser
Dirk Grosser
schreibt für verschiedene spirituelle Magazine, ist Co-Autor diverser Bücher (u.a. mit Wolf-Dieter Storl) und seit einigen Jahren im Verlagswesen tätig, wobei er vorrangig Bücher zu Naturspiritualität und den mystischen Zweigen der Weltreligionen lektoriert, bearbeitet und herausgibt. Seine zweite große Leidenschaft gehört der Musik: Er hat in verschiedenen Bands gespielt, an den Soundtracks zu zwei Dokumentarfilmen mitgewirkt, spirituelle Seminare auf Djembe, Darbuka und Cajon begleitet und gemeinsam mit der Trommelgruppe Viatores die CD „Donnerseele“ veröffentlicht.

www.wildeweisheit.de

Dienstag, 2. Oktober 2012

Ein Weltbild der Verbundenheit

Schamanische Wurzeln in Europa

Schamanismus wurde in den letzten Jahren immer populärer und trotz (oder gerade wegen?) dieser Präsenz in der Öffentlichkeit, scheinen viele Menschen schamanische Arbeit noch immer gleichzusetzen mit Indianern, oder zumindest Federschmuck, ums Feuer tanzenden Ekstatikern und schlimmstenfalls rituellem Hokuspokus. Sind die einen „echte Schamanen“ und tragen Zeremoniengewänder, Federschmuck und Wolfsfelle? Sind die anderen hingegen „nur“ spirituelle Sucher oder gar „Möchtegern-Heiler“? 

Schamanismus fasziniert uns, das ihm zugrundeliegende Weltbild der Verbundenheit weckt Sehnsüchte nach authentischer Erfahrung in uns, scheint nah und doch so fern zu sein. So wenden wir unseren Blick häufig den indigenen Völkern anderer Kontinente zu und vergessen oder übersehen dabei, dass es schamanische Techniken auch in unserem heutigen Europa gegeben hat. Zeugnis legen u.a. die Höhlenmalereien von Lascaux oder Trois-Frères in Frankreich ab, die auf 20.000 v. Chr. datiert wurden. Diese Bilder zeigen tierisch-menschliche Halbwesen, Ekstase, visionären Flug und schamanische Gestaltwandlung. Auch die finnischen Samen, die Inuit, die germanischen Walas bzw. Völvas oder die Druiden aus dem keltischen Raum agierten schamanisch und manche Geschichten um den germanischen Gott Odin beschreiben schamanische Initiationen. Recherchieren wir innerhalb der europäischen Kulturen, finden wir also eine Fülle von Material, das auf schamanische Praktiken hinweist.
Doch während in indigenen Kulturen auch heutzutage der Schamane als Begriff und Berufsbezeichnung geläufig ist, haben wir in Europa keine ununterbrochene Tradition dieses Zugangs zur Anderswelt, der Welt der Tier-, Pflanzen- und Schutzgeister, zu denen der Schamane Kontakte knüpft. Es gibt aber, gerade in den letzten Jahren, eine Vielzahl von Schamanisch Praktizierenden. Der Unterschied der beiden Begriffe liegt darin, dass Schamanen in einer schamanischen Kultur aufwachsen und von dieser Gemeinschaft zum Schamanen ernannt werden. Sie entscheiden sich nicht etwa selbst dazu, sondern werden aufgrund verwandtschaftlicher Beziehungen initiiert oder größtenteils von der Anderswelt dazu berufen, was oft mit einer schwerwiegenden Krankheit einhergeht. Dieser Ruf wird sowohl von der Gemeinschaft, als auch vom zukünftigen Schamanen erkannt und die meist langjährige Lehre bei einem erfahrenen Ältesten angetreten. Schamanisch Praktizierende hingegen nennt man jene Menschen in unserer westlichen Kultur, welche von den Schamanen der Naturvölker lernen. Hierin liegt die Schwierigkeit, denn in den meisten europäischen Ländern sind die Naturvölker und schamanischen Gemeinschaften schon vor sehr langer Zeit den religiösen oder politischen Konflikten zum Opfer gefallen. Bei welcher/m Stammesältesten unserer Kultur kann man also lernen, wenn es hier keine indigenen Stämme mehr gibt?
Eine von kulturellen Einflüssen relativ losgelöste Möglichkeit bietet die Foundation for Shamanic Studies (FSS). Michael Harner (Autor des Buches „Der Weg des Schamanen“ und Gründer der FSS) fand weltweit bei allen Völkern die gleichen schamanischen Basistechniken und fasste diese in einer verständlichen und anwendbaren Form unter dem Begriff „Kern- bzw. Core- Schamanismus“ zusammen. Er blieb bei den wichtigsten schamanischen Praktiken (von der Basis der schamanischen Reise ausgehend: Extraktion, Divination, Begleitung von Sterbenden, Hilfe für noch erdgebundene Seelen, Lösung von Besetzungen). Die Psychologin Sandra Ingerman, Schülerin von Michael Harner und später selbst Lehrerin der FSS, fügte diesem Basiswissen das alte Ritual der Seelenteilrückholung hinzu, welches ihr während einer schamanischen Reise von ihren Verbündeten/Spirits gezeigt wurde.
 „Schamanisches Reisen“ ist sowohl eine der Kern-Techniken, als auch ein Begriff für die Veränderung des Bewusstseins. Im Unterschied zu geführten Meditationen verselbstständigen sich hier die Bilder und Handlungen, der schamanisch Reisende ist aktiv und (re-)agiert, wenn er sich in der Anderswelt befindet. Aus diesem Grunde wird zu Beginn die Krafttier-Suche durchgeführt, um das Krafttier kennenzulernen, welches fortan als Führer vorangeht und die Reisen begleitet.  Alle Völker kennen Rituale, die in ein erweitertes Bewusstsein führen, um den Zugang zur Anderswelt sowie eine Interaktion mit dieser zu erleichtern. In der klassischen schamanischen Reise nach dem Core-Schamanismus verändert der monotone Rassel- oder Trommelschlag die Gehirnfrequenz und macht so den Eintritt in eine Trance möglich, trägt gleichzeitig die Absicht und den Auftrag des schamanisch Praktizierenden und geleitet diesen sicher aus seinem Körper hinaus und wieder zurück, wobei jede Reise gemeinsam mit den Spirits (Krafttier, Geistwesen, Lehrer u.a.) geschieht. Mithilfe der heute in großer Vielzahl erhältlichen Trommel-CDs können wir allein reisen, wir können mit anderen gemeinsam in der Gruppe Reisen und auch lernen Reisen für einen anderen Menschen zu unternehmen.
Schamanen nutzen seit jeher das Wissen, das ihnen in der Anderswelt vermittelt wird, nicht „nur“ um ihrer Gemeinschaft als Heiler zu dienen, sondern auch, um ihre Fähigkeiten als Seelsorger, Psychologen, Mediziner, Pflanzenkundige, Krieger, Priester, Orakel, Sänger, Geschichtenerzähler und Schauspieler (in einem rituellen Kontext) zu entwickeln. Schamanismus durchdringt den Alltag und das Denken mit einem Weltbild der inneren Verbundenheit und der Beseeltheit aller Wesen (wozu auch die scheinbar leblosen Steine zählen), das der Verstand nahezu nicht fassen kann. So wird oft vom „Weg des Herzens“ oder der Seele gesprochen. Ein Weg der Vermittlung zwischen Anderswelt und Alltagswelt, der das Wohl der eigenen Gemeinschaft als auch das Wohl aller Wesen im Sinne hat.
Schamanische Basistechniken, wie wir sie im Core-Schamanismus erlernen können, helfen uns den Zutritt in diese für uns Menschen so wichtige, vor Wissen und Weisheit schimmernde Anderswelt zu erlangen, erste Schritte zu machen und bei jeder Reise mehr zu erfahren. Mitunter bekommen wir dort sogar einen Einblick oder die Möglichkeit zur Lehre bei jenen Ahnen der Kultur, in die wir aus gutem Grund in diesem Leben hineingeboren wurden und deren Teil wir heute sind. Viele indigene Älteste sind darüber besorgt, wie wenig Verbindung zwischen uns und unseren Ahnen besteht und wie viel Weises  und Kraftvolles dadurch verschüttet wurde. Dies verstärkt das Gefühl keine Wurzeln zu haben, etwas suchen zu müssen und das Gefühl von anderen getrennt zu sein. Womöglich entsteht sogar die Vorstellung von Gott oder dem Göttlichen getrennt zu sein. Auch die 13 indigenen Großmütter, die sich aufgrund einer Vision zusammengeschlossen haben und gemeinsam oder in Kleingruppen die Welt bereisen, weisen darauf hin: „Auch hier nehmen gerade weise Frauen teil! IHR seid die weisen Großmütter vor Ort!“ Sie ermutigen die Teilnehmerinnen, an die eigene Ihnen innewohnende Heilkraft und Weisheit zu glauben und diese zu leben. Schamanismus ist so Erinnerung und Verbindung zu unseren eigenen Wurzeln. Eine Verbindung, die einerseits den Schamanisch Praktizierenden heilt und ihm andererseits ermöglicht, anderen Heilung zu schenken.
Dies soll nicht davon abhalten, Reisen in ferne Länder zu unternehmen, die einen Einblick in indigenes Stammesleben, Riten und Zeremonien geben oder Kurse bei einem Schamanen zu belegen. Für Schamanisch Praktizierende ist es darüber hinaus jedoch wichtig, einen authentischen Weg für sich selbst zu finden, der in unserer Kultur und unserem Alltag Wurzeln schlagen kann. Der Schlüssel liegt in einem wachen Bewusstsein – der Kunst, von dieser Alltagswelt in die Anderswelt und wieder zurück zu reisen und für sich selbst oder einen Hilfesuchenden wertvolle Hinweise und Praktiken zu erhalten und dabei in keiner der beiden Welten verloren zu gehen. Weder im alltäglichen Trott des Lebens, noch im scheinbar magischen, spannenden oder besonderen Erleben der Anderen Welt. Der peruanische Schamane Don Alberto sagt lachend: „Glaubt ihr wirklich, einer unserer Ältesten würde seine Mesa benötigen um zu wirken?! Warum also halten hier (in der westlichen Welt) so viele daran fest?“ Was er damit sagen möchte, ist, dass uns die archetypischen Kraftgegenstände und Symbole der amerikanischen oder australischen Ureinwohner stets ein Stück fremd bleiben, da sie nicht unserer natürlichen Umgebung entstammen und sie somit nicht 1:1 auf unser Leben übertragbar sind. Wir benötigen eigene Symbole, eine eigene Sprache, um die Erfahrungen der Anderswelt in Worte zu kleiden und uns in ihr zurechtzufinden. Wir sind aus einem – wenn uns auch meist unbekannten – Grund in diesem Leben, diesem Land und dieser Zeit geboren und können hier in unserem alltäglichen Umfeld das Göttliche erkennen, wenn wir die Augen des Herzens öffnen.

Bleiben wir stets geerdet und verbunden mit unserer Heimat, mit der Natur um uns herum und lassen gleichzeitig die Möglichkeit magischer Momente zu, so wird das Netz, das alle Seelen miteinander verbindet zu einem wahren Erleben statt einer bloßen Metapher. So lernen wir die Zeichen im Außen zu lesen und unserem Weg zu folgen – in der inneren wie der äußeren Welt. Die starke Anziehung des Schamanentums und die Kraft dieser Arbeit geht von einer großen Authentizität und dem wahrhaft gelebten Weltbild aus, welches den Alltag erfüllt.

Jennie Appel arbeitet seit 2006 in eigener Praxis mit schamanischen Techniken, Bewusstseinstraining und Coaching. Sie hat u.a. bei der Foundation for Shamanic Studies, Dr. Alberto Villoldo und Martin Brune gelernt und bietet Einzelsitzungen, Zeremonien und Seminare an (demnächst: „Schamanisch Reisen - Basiswissen“). Sie arbeitet in Bielefeld, in der Nähe von Frankfurt am Main und überregional im Rahmen von Fernsitzungen.

Ihr  Buch-CD-Set „Ahnenreise“ (gemeinsam mit Dirk Grosser) erscheint  im September 2012.

Mehr Infos unter www.jennie-appel.de / www.ahnenreise.net

(Artikel erschienen in der Zeitschrift "Das Wesentliche Nr. 28" im Juli 2012)