Dienstag, 19. Februar 2013

Was ist MBSR?

Mir wurde kürzlich ein MBSR-Kurs empfohlen und inzwischen praktizieren wir in partnerschaftlicher Kommunikation und im regen Austausch mit Freunden nun in der 3. Woche des 8-wöchigen Kurses Achtsamkeit. Gerade in Bezug auf die achtsame Wahrnehmung der eigenen Grenzen und der gelegentlichen "Gefahr der Überflutung" für hochsensible Menschen, möchte ich heute ein ganz besonderes Buch-CD-Set empfehlen und erlaube mir (mit freundlicher Genehmigung von Maren Schneider), die Worte der Autorin selbst zu nutzen, da ich keine besseren dafür finden kann.
Die beiliegenden CDs unterstützen auf liebevolle Weise und sind so pur, dass sie die Wahrnehmung schulen, unterstützen und jederzeit ermutigen - danke für die klaren, wertschätzenden Worte! Wer keine Möglichkeit hat, an einem Gruppenangebot teilzunehmen, dem sei dieses Buch sehr ans Herz gelegt. Wir freuen uns auf die kommenden Wochen schon sehr!
Hochsensible Menschen können durch diese Praxis eine erhöhte emotionale Stabilität gewinnen, ohne diese Begabung verneinen zu müssen.

Auszug aus der Einleitung des Buches "Stressfrei durch Meditation" von Maren Schneider:

Vor gut dreißig Jahren entwickelten in den USA die Professoren Jon Kabat-Zinn und Saki Santorelli mit Kollegen aus dem klinischen Alltag ein achtwöchiges Stressbewältigungs-Programm Mindfulness Based Stress Reduction (abgekürzt MBSR), zu deutsch: Stressbewältigung durch Achtsamkeit, das auf der Schulung von Achtsamkeit, Meditation und Yoga basiert. Dieses Programm wurde speziell für Patienten entwickelt, die unter starker Belastung stehen, unter Schmerzen oder schweren chronischen Erkrankungen leiden, sowie für Menschen, die Stress (beruflich und/oder privat) oder gar einen Burnout erleben.
Es ist ein systematisches, alltagsbezogenes Training und beinhaltet eine Reihe formaler wie informeller Übungen. Sie zielen darauf ab, dass die Teilnehmer
·         wieder mit sich selbst in Kontakt kommen,
·         aus Grübelketten, Dramatisierungs- und emotionale Aufschaukelungsprozesse aussteigen lernen und mehr Bewusstheit, emotionale Stabilität, Konzentration und Präsenz erlangen,
·         die Ursachen von Belastungen, ihre persönlichen Stress-Reaktions-Muster und -Symptome erkennen und sich Fähigkeiten aneignen, die es ihnen ermöglichen, mit den vielfältigen und oft nicht vorhersehbaren Herausforderungen des Lebens angemessen umzugehen,
·         neue Perspektiven, Erkenntnisse, Wege und Handlungsalternativen entdecken, die es ihnen ermöglichen, ihr Leben langfristig zufriedener, gesünder, entspannter und sinnerfüllter gestalten.

Hauptsächlich richtet sich das MBSR-Programm an Personen, die Belastungen, Stress und Erschöpfung erleben. Dabei ist es ganz gleich ob diese sich aufgrund
·        hoher Arbeitsbelastung, Doppel- und Mehrfachbelastungen, Arbeitsplatzverlust oder Langzeit-Arbeitslosigkeit,
·        familiärer Probleme, Beziehungs-Schwierigkeiten, Trennungen
·        chronischer Schmerzen, oder einer schweren und vielleicht langwierigen oder gar tödlichen Erkankung wie Krebs
entwickelt haben.
Ebenso ist es ein sehr strukturiertes Programm, das Leben heilsam zu gestalten und erprobte Methoden zu Selbsterforschung zu erlernen. Ebenso bietet es sich als heilsame und praktikable Ergänzung zu einer psychotherapeutischen oder medizinischen Behandlung und wird begleitend bei psychosomatischen Erkrankungen wie Tinnitus, Herz-Kreislauf-, Schlaf- sowie Magen-Darm-Störungen, Angst und nervösen Unruhezuständen eingesetzt.

Das Programm ist in den letzten dreißig Jahren bestens erforscht worden und zahlreiche wissenschaftliche Studien bestätigen seine erstaunlich breite Anwendbarkeit und große Effektivität[1]. MBSR wird in den USA nunmehr seit vielen Jahren in zahlreichen Kliniken und Gesundheitszentren angewendet. Mittlerweile erfreut es sich auch in Deutschland, Österreich und der Schweiz wachsender Beliebtheit und wird im klinischen Rahmen z. B. in Krankenhäusern, Kur- und Rehakliniken, aber auch in Bildungseinrichtungen, Gesundheits- und Management-Trainings, Coachings und Psychotherapien eingesetzt.

Das MBSR-Programm beinhaltet:
·         Eine intensive Schulung der eigenen Achtsamkeit, Präsenz und Selbstwahrnehmung Moment für Moment, durch formale Achtsamkeitsübungen wie Body-Scan, Meditation und Yoga sowie durch Übungen und Selbstbeobachtungsübungen im Alltag.
·         Die Vermittlung von Stresstheorie, Bewusstwerdung persönlicher Stressmuster sowie Anregung, Reflektion und Entwicklung eines heilsamen Umgangs mit Stress/Belastungen.
·         Das Erlernen eines konstruktiven Umgangs mit schwierigen Emotionen.
·         Anregung und Reflektion zu einem heilsamen und förderlichen Kommunikations-Verhalten.
·         Entwicklung einer verantwortungsvollen, bewussten, fürsorglichen und gesundheitsfördernden inneren Haltung und Lebensführung.
·         Anleitung zur Gestaltung der Übungspraxis und deren Integration in den Alltag.
                       
Ursprung
Das Konzept der Achtsamkeit wurde ursprünglich im Rahmen des Buddhismus entwickelt. Bei MBSR geht es aber nicht um religiöse oder spirituelle Inhalte. Achtsamkeit wird hier vor einem wissenschaftlich begründbaren Hintergrund vermittelt als ein Übungsprogramm, das seine Effektivität nur aufgrund der persönlichen täglichen Übungspraxis entfaltet.

Werkzeuge
Die Kernübungen oder auch die Werkzeuge des Programms sind die sogenannten formalen Übungen wie Atemmeditation, Achtsamkeits-Yoga und eine Körpermeditation, genannt Body-Scan. Diese Übungen werden ergänzt durch informelle Übungen für den Alltag, wie Selbstbeobachtungsübungen oder achtsam durchzuführende alltägliche Tätigkeiten. Durch diese Kombination trainieren die Teilnehmer ihre geistigen Fähigkeiten, unabgelenkt präsent im Hier und Jetzt zu verweilen, Stressprozesse zu erkennen,  Körpersignale als Stress- und Stimmungsbarometer wahrzunehmen, eingefahrene Autopilot-Reaktionsmuster aufzugeben und schließlich aus einer bewussten inneren Haltung heraus das eigene Leben zu gestalten. Darüber hinaus werden auch ergänzend zur Übungspraxis theoretische Inhalte vermittelt.

Wozu ein Training?
Das Zusammenspiel der formalen und informellen Übungen vergleiche ich gerne mit einem Konditionstraining: Will ich meine Alltagskondition verbessern, kann ich damit beginnen, mehr zu Fuß zu gehen und die Treppen statt den Aufzug zu nutzen. Das mag zu leichten Verbesserungen führen. Doch bin ich konditionell gänzlich untrainiert, kann es sein, dass ich das Treppensteigen schnell wieder sein lasse, da ich es als sehr anstrengend empfinde und doch lieber den Fahrstuhl nehme, um nicht vollkommen verschwitzt und außer Atem zum nächsten Termin zu kommen. Beginne ich allerdings mit einem regelmäßigen Walking- oder Jogging-Training, werde ich schnell merken, dass es mir nach einiger Zeit wesentlich leichter fällt, auch zwischendurch mal schnell die Treppen zu nehmen statt den Aufzug. Das formale Training, für das ich mir Zeit einräume, unterstützt und erleichtert das informelle Training im Alltag und umgekehrt.
Genauso verhält es sich auch mit dem Training der Achtsamkeit. Das formale Training auf Ihrer Yogamatte oder Ihrem Meditationskissen lässt Ihr Gehirn neue Achtsamkeits-Verknüpfungen bilden, auf die Sie auch in Ihren Alltagstätigkeiten zurückgreifen können und die es Ihnen erleichtern, die Achtsamkeit auch bei den alltäglichen Herausforderungen aufrechtzuhalten. Dies kommt dann wieder Ihrer Übungspraxis auf dem Kissen oder der Matte zugute, da Sie Ihre Achtsamkeit durch das „Alltagstraining“ ebenfalls stärken. So entsteht eine geschmeidige „Gebrauchs-Achtsamkeit“, mit der Sie sich in allen Alltagssituationen vertraut machen können und die daraufhin auch in schwierigen Momenten bestens einsatzfähig ist.
Beide Bereiche, die formale und die informelle Praxis, haben ihren Sinn und ihre Bewandtnis und lassen Sie die Fähigkeit erlangen, mit den Katastrophen des Lebens umzugehen. Der Originaltitel des Buches Gesund durch Meditation, in dem Jon Kabat-Zinn das MBSR-Programm vorstellt, heißt: Full Catastrophe Living – Leben mit der vollen Katastrophe. Es ist also ein Programm, das keine paradiesischen Zustände anstrebt oder die Welt rosa anstreicht, sondern eines, das uns lehrt, mit dem zu sein, was ist, auch wenn das in unserem Leben zeitweilig Schmerz und Schwierigkeiten sind. Diese Praxis kann uns durch Stress und Krankheit, ja sogar bis in den Tod begleiten und uns unter Umständen auch den Sterbeprozess leichter durchstehen lassen.

Für wen ist dieses Buch gedacht?
Gedacht ist dieses Buch für all diejenigen, die, gerne das Programm absolvieren wollen, jedoch, aus welchen Gründen auch immer, nicht in der Lage sind, an einem Gruppenkurs, ein Kompakt-Seminar oder an einer individuellen Einzelarbeit mit einem Lehrer, einer Lehrerin teilzunehmen. Vielleicht weil
·        Sie in einem entlegenen Gebiet leben, wo es (noch) kein entsprechendes Angebot gibt und nicht in der Lage sind weit zu fahren.
·        Ihr Gesundheitszustand oder Ihre persönlichen Umstände es Ihnen nicht erlauben das Haus zu verlassen.
·        Sie keine Betreuung für Ihre kleinen Kinder oder Ihren zu pflegenden Angehörigen haben oder
·        Ihre finanzielle Situation so angespannt ist, dass Sie kein Geld für einen Kurs oder Einzelarbeit erübrigen können.
Aber auch für diejenigen, die sich für die Teilnahme an einem MBSR-Kurs, Kompakt-Seminar oder individueller Einzelarbeit interessieren und sich gerne vorher über die Abläufe und Inhalte des Programms informieren möchten.

Geeignet für die Durchführung des Kurses mit diesem Buch sind Sie, wenn
·        es Ihnen leicht fällt sich Neues durch Selbststudium anzueignen,
·        Sie über ein hohes Maß an Disziplin verfügen,
·        Sie sich immer wieder selbst motivieren können,
·        Ihnen der gesellschaftliche Rahmen und der Austausch mit anderen Gruppenteilnehmern nicht so wichtig ist und
·        wenn Sie sich zwar gestresst, belastet und unruhig fühlen, aber ansonsten psychisch stabil sind, Ihr tägliches Leben meistern können und frei von einer akuten Depression, einer Psychose oder schweren Angststörung sind (Näheres dazu im späteren Verlauf).

Über dieses Buch
Dieses Buch bietet Ihnen einen praktisch umsetzbaren 8-Wochen-Kurs für zu Hause und beinhaltet die Unterrichtsinhalte und Materialien des MBSR-Gruppenkurses, so wie ich ihn unterrichte. Es ist so angelegt, dass Sie den Kurs damit selbständig Woche für Woche absolvieren können.
Ich möchte an dieser Stelle jedoch deutlich machen, dass es sich nicht um das „Originalprogramm“ von Jon Kabat-Zinn handelt, denn ich bin nicht Jon Kabat-Zinn. Die Inhalte sind geprägt von meinen Erfahrungen als Mensch, als MBSR-Lehrerin, als Übende und als Therapeutin. Dieses Buch folgt dem Kurs-Curricculum von Jon Kabat-Zinn. Es fließen aber auch Elemente ein, die mir in meiner Ausbildung zur MBSR-Lehrerin bei Dr. Linda Lehrhaupt vermittelt wurden. Außerdem habe ich mir die Freiheit herausgenommen, mir sinnvoll erscheinende Ergänzungen mit aufzunehmen wie die Atemraumpraxis aus dem mit MBSR verwandten MBCT-Programm (Mindfullness based Cognitive Therapy).
Wenn Sie das Buch Gesund durch Meditation gelesen haben, werden Sie in diesem Buch durchaus Bekanntem begegnen. Es gibt Ähnlichkeiten, ebenso aber auch andere Perspektiven, andere Anregungen als die, die Ihnen durch die Lektüre von Jon Kabat-Zinns Buch bereits vertraut sind. MBSR ist ein lebendiger Prozess und bekommt sein Gesicht durch die Menschen, die es anwenden.
MBSR basiert zum großen Teil auf der gut zweieinhalb Jahrtausende alten buddhistischen Tradition. Es ist also sehr altes Gedankengut, auf das seine Entwickler zurückgegriffen haben und auf das auch ich zurückgreife. Das Rad kann nicht neu erfunden werden. Doch keine Sorge. Dieses Gedankengut ist an die heutige Zeit angepasst, vollkommen entmystifiziert und durch neueste Hirnforschungen wissenschaftlich gut untermauert. Sie erwartet also ein pragmatisches, modernes, neurowissenschaftlich überprüfbares Übungsprogramm, frei von religiösen Inhalten und ohne einen Hauch von Räucherstäbchen-Ambiente. Sie brauchen keine Buddhastatue, keine spezielle Kleidung und Sie müssen sich auch nicht besonders heilig fühlen. Auch wenn der Ursprung der Achtsamkeit im Buddhismus liegt, so ist sie doch frei von jedweder konfessionellen Ausrichtung und religiösem Kontext praktizierbar. Meine Erfahrungen mit Teilnehmern der unterschiedlichsten Konfessionen und auch ohne religiösen oder spirituellen Hintergrund haben gezeigt, dass die Praxis der Achtsamkeit eine eigene individuelle Spiritualität fördern und vertiefen kann. Viele Menschen verspüren heute den tiefen Wunsch nach einer spirituellen Dimension in ihrem Leben und finden in der Achtsamkeit einen Weg zu einer neuen, freien Spiritualität, die jenseits festgefügter Dogmen und eines religiösen Überbaus ist – alltagsnah, nachprüfbar, authentisch. Ich halte mich in der Vermittlung dieses Übungsweges an die Lehrhaltung des Buddha: „Probieren Sie das Gesagte aus, prüfen Sie es durch Ihre eigene Praxis, und wenn Sie es für Ihr Leben als heilsam befinden, übernehmen Sie es.“


[1] Übersicht der Studien unter http://www.mindfulexperience.org